Mein Lieblingskalender sagt mir, dass heute der Tag der Nähmaschine sei. OK. Geben wir mal der Nähmaschine ihren Tag. Die Frage bei mir ist nur, warum kommt jemand auf die Idee, eine Nähmaschine zu erfinden und vor allem, wann ist das geschehen?
Die Anfänge
Genäht haben die Menschen schon immer. Selbst die Neandertaler sollen diese Art, verschiedene Materialien miteinander zu verbinden, beherrscht haben. Wurden anfangs noch Fischgräte zum Nähen gebraucht, dann kamen bald einmal Nadeln aus Horn oder Knochen. Im 14. Jahrhundert gelang es, Eisen so fein zu bearbeiten, dass es zum Nähen gebraucht werden konnte. Mit diesen Werkzeugen war es den Menschen möglich, Kleider und Schuhe zu nähen.
Bis fast zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Nähen Handarbeit. Der Schneider war ein Mitglied einer ehrbaren Berufszunft. In der Gesellschaft legten die Damen hohen Wert auf einen guten Schneider. Ein guter Berufsmann konnte bis zu 30 Stiche pro Minute machen.
Die Experimente auf dem Weg
Schlaue Erfinder suchten einen Weg, um die Nadel mit einer Maschine zu bewegen. Bereits 1755 machte Charles Frederick Wiesenthal, ein in England lebender Deutscher die ersten mechanischen Experimente. Die Idee war, die Handbewegung des Schneiders zu kopieren und so mit feinen Nadeln mit Öhr zu nähen. Die Idee wurde noch von vielen weiteren Entwicklern aufgenommen und benutzt. Wiesenthal hat gemäss Archiven jedoch nie geschafft eine brauchbare Nähmaschine fertigzustellen.
Die ersten Maschinen
Die erste funktionsfähige Nähmaschine wurde von Thomas Saint 1790 für Schumacher gebaut. Um die ähnliche Zeit gab es in Deutschland und Frankreich eigene Bemühungen eine Maschine zu konstruieren. Diese Maschinen hatten teilweise schon einen Ansatz von einem Transport des Nähgutes, wie man es von heutigen Maschinen kennt. Der erste effektive Fabrikant von Nähmaschinen war Barthélemy Thimonnier. Sein erstes Nähmaschinenmodell, die Couseuse, wurde um 1830 in Paris durch die eigens gegründete Societé Germain Petit et Cie. gebaut. Gleichzeitig produzierte die Firma Militäruniformen auf insgesamt 80 Maschinen.
Thimonnier jedoch hatte ein Problem, dass er seine Familie nicht um sich hatte. Im 1831 flüchtete er zurück zu seiner Familie. Später versuchte er dasselbe nochmals in Manchester, auch von da flüchtete er wieder zurück zu seiner Familie. Der arme Familienmensch verpasste durch sein Verhalten die Entwicklungen der Industrie und kam ins Hintertreffen. Im Jahr 1857 starb er verarmt in Amplepuis, im Kreise seiner Familie. Heute sieht man seine Originalmaschinen übrigens im Museum an seinem Heimatort.
Elias Howe
Elias Howe, ein verarmter Mechaniker aus Boston, merkte, dass man ein Vermögen verdienen könnte, wenn man eine Maschine die zuverlässig nähen kann, herstellen könnte. Also versuchte er, die Handbewegungen seiner Frau maschinell umzusetzen. Ganz zum Schluss hatte er eine Maschine entwickelt, welche 250 Stiche pro Minute nähen konnte. Die entsprechende Patent wurde danach von seinem Bruder verkauft. In London wurde diese Maschine 1846 auf den Namen von W. Thomas patentiert.
Der Preis von damals 300 Dollar war jedoch zu hoch und die Kundschaft blieb aus. Gleichzeitig liefen die Schneider Sturm gegen das Teufelsgerät. Nachdem er in den USA seine Maschine nicht an den Mann/Frau bringen konnte, versuchte er sich in England. Ebenso erfolglos.
Isaac Merritt Singer
Zwei Jahre später, verarmt und entmutigt kehrte Howe in die USA zurück, verdingte sich als Schiffskoch um die Passage zu bezahlen. Dort angekommen wurde ihm zugetragen, dass ein gewisser Isaac Merritt Singer, ebenfalls ein Mechaniker aus Boston, eine Nähmaschine erfunden hätte und diese patentieren liess.
Dieser verkaufte die Maschine für 100 Dollar. Das Patent wurde dann von Howe angefochten, mit Erfolg. Howe erhielt bis zu seinem Tod mit 48 Jahren jede Wochen 4’000 Dollar an Patentgebühren. Zum Schluss wurde er dann trotzdem ein reicher Mann.
Als ich in Wikipedia über den Herrn Singer recherchiert habe, war ich ziemlich amüsiert. Der liebe Isaac Merritt war ein Lebemann, ein aus Deutschland emigrierter freiheitsliebender Mensch. Er war als Schauspieler unterwegs, gründete mit Catherine Maria Haley eine 4 köpfige Familie. Mit der zweiten Frau, Mary Ann Sponsler, war er 24 Jahre verheiratet und hatte mit ihr ingesamt 10 Kinder. Später heiratete er noch weitere 2 mal. Insgesamt hatte Singer 18 Kinder mit 4 Frauen.
Die Haushaltsnähmaschine aus der Schweiz
1893 wurde in der Schweiz die erste Hohlsaummaschine bei den Gebrüdern Gegauf gebaut. Wenige Jahre später entstand dann die neue Nähmaschinenfabrik Fritz Gegauf AG, die bis heute noch Nähmaschinen baut. Ab 1932 hießen diese Maschinen BERNINA. 1946 entwickelten und bauten die Brüder Gegauf in Steckborn (Schweiz) die erste Zickzack-Freiarmnähmaschine der Welt.
Ab 1986 wurde die erste Bernina-Nähmaschine elektronisch über Schrittmotoren angesteuert. Dadurch müssen die Nutz- oder Decor-Stiche nicht mehr von Hand eingestellt werden. Die Bernina 830 hatte ein Stickmodul und integriertes Windows. Dank Anschluss an einen Computer konnte diese Maschine auch sehr ausgefallene Muster sticken.
Die Menge an Informationen
Ich könnte noch lange Schreiben. So viel gibt es zu erzählen über die Maschine, die in meiner stoffverückten Familie so begehrt ist. Aber es gibt so viele Details bei Nähmaschinen und -arten, ich könnte diesen Informationsgehalt gar nicht rüberbringen. Alleine der Wikipedia-Artikel ist schon sehr detailliert. Geht man dann noch den Namen nach: Singer, Bernina, Pfaff etc., dann kommt man vom hundertsten ins tausendse. Davon möchte ich Euch verschonen.
Etwas ist noch erwähnenswert
Die Entwicklung von Nähmaschine und Velo lief sehr parallel. Der Absatzmarkt war derselbe und auch die Bauteile teilweise ähnlich wenn nicht sogar gleich! Deshalb vertreiben auch heute noch einige Händler Fahrräder und gleichzeitig auch Nähmaschinen. Sogar die Schreibmaschine kommt häufig noch aus der Velo- und Nähmaschinen-Fabrik!