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Es gibt ein Buch, welches mich an gewisse Sachen in meiner Kindheit erinnert. Die Schriftstellerin Maria Frigerio schrieb das Buch „verbotene Kinder“.

Grundlage des Buches

Der Klappentext des Buches (ISBN-Nr. 978-3-85869-587-1):

Die Kinder der italienischen Saisonniers erzählen von Trennung und Illegalität.

Weil der Familiennachzug für die italienischen Saisonniers in der Schweiz verboten und auch für die meisten Jahresaufenthalter praktisch unmöglich war, standen sie vor der Entscheidung: entweder die Kinder »am Telefon aufwachsen« hören – oder aber sie mitnehmen, was bedeutete, sie vor den Behörden zu verstecken.

Marina Frigerio lässt diese »ver­botenen Kinder« erzählen. Wie fühlt sich das an als Kind, die meiste Zeit eingeschlossen daheim und ohne Kontakt zu anderen Kindern, was macht eine solche Situation mit einer Familie, und wie findet man trotzdem seinen Weg?

Die Aufarbeitung ist für die ehe­maligen Saisonnierkinder und ihre Familien dringend nötig. Was sich in ihren Geschichten offenbart, ist ein humanitärer Skandal, der sich tagtäglich, nebenan, mitten unter uns ereignet hat. Umso mehr ist es an der Zeit, dieses Thema ins Bewusstsein zu holen. Zumal die jüngste Volksabstimmung gegen die »Masseneinwanderung« gezeigt hat, wie schnell Errungenschaften in der Migrationspolitik wieder infrage gestellt werden können.

Meine Erinnerungen

Ich mag mich erinnern, dass es bei uns in Altstetten, zwischen den Eisenbahngeleisen und der Autobahn eine Barackensiedlung gegeben hat. Dort haben „die Italiener“ gewohnt. Für uns Kinder war es eine andere Welt. Einerseits waren da Menschen in Baracken, die eine für uns nicht verständliche Sprache redeten. Gleichzeitig hatten wir Schulkolleginnen und -kollegen, welche ebenso aus Italien zu uns in die Schweiz gekommen sind.

Als Kinder konnten wir das ganze noch nicht einordnen. Es war einfach so, dass die Menschen in den Baracken wohnten. Wenn man da heute zurückdenkt, dann ist es nicht mehr vorstellbar. Eigentlich war das ein Ghetto. Behördlich erlaubt und mit dem Saisonnierstatut genehmigt. Zuerst durften diese Männer maximal 11,5 Monate, später sogar nur für 9 Monate in der Schweiz bleiben. Nachher mussten sie wieder zurück in die Heimat – um später wieder für diese Zeit zurückzukehren.

Das Saisonnierstatut

Ich mag mich auch an andere Menschen aus anderen fremden Ländern erinnern. Sie wohnten nicht in den Baracken, hatten es geschafft, ihre Familie nachzuziehen. Aber sie waren nicht integriert. Ich kann mich an die Frau aus der Türkei erinnern, die jeweils am Morgen am Trottoirrand sass und stickte. Sie war es sich gewohnt, dass die Menschen die Zeit ausserhalb des Hauses verbrachten.

Wir haben uns darüber nicht gewundert, wir haben uns darüber lustig gemacht. Die Kinder hatten für uns damals ungewohnte Namen: Bülent, Kaya, Abdul, Fadime. An die Nachnamen kann ich mich nicht mehr erinnern.

Das Saisonnierstatut „importierte“ eine neue soziale Unterschicht, teilweise rechtlose Arbeitskräfte. Es gab viele Härtefälle. Familiennachzüge wurden aufgrund Kleinigkeiten verweigert. Dies war auch einer der Gründe, dass dieses Buch entstanden ist „verbotene Kinder“.

Der Familiennachzug

Zudem war der Nachzug von Frauen und Kindern an Bedingungen geknüpft. Der Arbeiter musste eine Wohnung besitzen, die ein Zimmer mehr aufwies, als die Familie Köpfe zählte. Viele Familien liessen daher einzelne Kinder in der Heimat zurück oder versteckten sie in der Schweiz. Der Gewerkschaftsbund dokumentierte 2014 mit dem Film «Verboten und versteckt – Saisonnierkinder erzählen» Erfahrungen von Saisonnierkindern, die in der Jugend teils jahrelang tagsüber die Wohnung nie verliessen.

Zahlreiche Ehen waren ausserdem durch die lange Abwesenheit der Väter zerrüttet. Weitere Probleme stellten sich bei der schulischen Integration von halberwachsenen Kindern, die erst nach Jahren in die Schweiz nachziehen durften.

Wirtschaftlich ermöglichte das Saisonnierstatut vor allem Unternehmen in strukturschwachen Branchen das Überleben und verzögerte damit die Anpassung der Wirtschaftsstruktur an die wirtschaftliche Entwicklung. Eine Korrektur erfolgte erst während der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre.

Und heute?

Heute sind diese jungen Menschen Secondos, Tricondos oder was auch immer. Wir kennen unsere Kollegen, schätzen sie als wertvolle Bereicherung unserer Welt. Wenigstens halten das die meisten in meinem Umfeld so. Heisst heute jemand Kaya, dann wundert sich niemand mehr über den Namen. Mohammed und Ahmed, Mehmet und Co. sind heute in unserer Welt angekommen.

Leider wird es immer Leute geben, die diese Integration nicht schätzen können, auf beiden Seiten. Geben wir doch dieser Vermischung der Welten eine Chance und freuen uns, dass wir so unseren Horizont erweitern können.

Verhindern wir, dass wir je wieder so etwas in unserem Umfeld dulden.